Steuern

Höhe des Zinssatzes auf Steuerzinsen ist verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von monatlich 0,5 % (6 % im Jahr) auf Steuernachzahlungen und Steuererstattungen für verfassungswidrig erklärt. In mehreren Verfahren hatten Kläger geltend gemacht, dass der gesetzliche Zinssatz im Vergleich zum viel niedrigeren Marktzinssatz für Geldanlagen stark überhöht sei, was die Finanzverwaltung bisher bestritten hatte. Nach Auffassung des Gerichts ist die Höhe des gesetzlich verankerten Zinssatzes (§ 238 Abs. 1 AO) ab dem Jahr 2014 verfassungswidrig. Dies betrifft insbesondere die Einkommensteuer, aber auch andere Steuerarten wie beispielsweise die Gewerbesteuer und die Körperschaftsteuer. Die Verzinsung von Steuernachzahlungen mit einem realitätsfernen Zinssatz von monatlich 0,5 % nach Ablauf von 15 Monaten ab Ende des betreffenden Veranlagungszeitraums erachtet das BVerfG als eine Ungleichbehandlung von Steuerschuldnern gegenüber jenen, deren Steuer bereits vorher vom Finanzamt endgültig festgesetzt wurde und die deshalb keine Zinsen an das Finanzamt zahlen müssen. Diese Ungleichbehandlung sieht das BVerfG für die Jahre 2010 bis 2013 als (gerade noch) verfassungsgemäß an, ab dem Jahr 2014 jedoch nicht mehr. Vielmehr sei eine Verzinsung mit einem niedrigeren Zinssatz für die Zeit ab dem 01.01.2014 erforderlich. Diese Unvereinbarkeit der Verzinsung mit dem Grundgesetz umfasst umgekehrt auch die Erstattungszinsen, die das Finanzamt einem Steuerpflichtigen zu zahlen hat, der erst nach 15 Monaten seine Steuererstattung erhält. Doch die aufkeimende Freude könnte für solche Steuerpflichtigen verfrüht sein, die Steuern an das Finanzamt nach zu zahlen haben.

Höhe des Zinssatzes auf Steuerzinsen ist verfassungswidrig

Denn das BVerfG erachtet die bisherige Vorschrift in der AO trotz ihrer Verfassungswidrigkeit nicht rückwirkend ab 2014 als nichtig, sondern bis einschließlich dem Jahr 2018 als weiterhin anwendbar. Hieraus folgt, dass der Zinssatz von monatlich 0,5 % ab dem 01.01.2019 nicht mehr vom Finanzamt angewendet werden darf. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber keinen konkreten Zinssatz vorgegeben, sondern diesen nur verpflichtet, bis zum 31.07.2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Diese muss sich dann rückwirkend auf alle Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 erstrecken und alle noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide erfassen. Das Finanzamt hat sonach die Zinsen rückwirkend ab 2019 neu zu berechnen. Bei Steuernachzahlungen kann es mithin zu einer (teilweisen) Zinserstattung an die Steuerpflichtigen kommen. Bei Steuererstattungen droht hingegen eine Rückzahlungspflicht bezüglich der zu hoch festgesetzten Erstattungszinsen an das Finanzamt. Steuerpflichtige, deren Steuerbescheide den vom Bundesfinanzministerium im Mai 2019 verfügten Vorläufigkeitsvermerk enthalten, können die gesetzliche Neuregelung abwarten und müssen nichts veranlassen.


13.09.2021
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