Recht

Ausfallhonorare organisatorisch verhindern

Freitagnachmittag, 15.30 Uhr, der Terminkalender sieht die Behandlung des Herrn Bleibtweg vor, aber der erscheint nicht. Sitzen noch andere Patienten im Wartezimmer, mag die ausgefallene Behandlung die Arbeitsbelastung verringern. Wird jedoch eine Bestellpraxis geführt, ist der Arbeitsausfall ziemlich ärgerlich. In jedem Fall stellt sich die Frage, ob und in welcher Höhe ein Ausfallhonorar geltend gemacht werden kann. Die rechtliche Beurteilung ist nicht einheitlich. Während ein Teil der Rechtssprechung zum Ergebnis gelangt, dass ein Anspruch auf das Ausfallhonorar besteht, lehnt ein anderer Teil ein Ausfallhonorar ab. Entscheidend ist immer der Einzelfall. Auf diesen kann durch eine gute Praxisorganisation Einfluss genommen werden. Ausgangspunkt aller Überlegungen ist der Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient. Dieser Vertrag wird sowohl mit privat, wie auch mit gesetzlich versicherten Patienten geschlossen und ist grundsätzlich jederzeit kündbar. Das Nichterscheinen zum Termin wird häufig als eine Kündigung gewertet. Daraus folgt, dass kein Anspruch auf ein Ausfallhonorar besteht, weil die Vereinbarung eines Termins noch keine konkrete Behandlungsvereinbarung darstellt. Anders sieht die Beurteilung aus, wenn mit längeren Terminvorläufen gearbeitet wird und mit den Patienten konkrete, auf die Dauer der Behandlung abgestimmte Termine vereinbart werden, zu denen auch kein weiterer Patient in der Praxis verweilt (sogenannte "Bestellpraxis"). Dann gerät der Patient in Annahmeverzug, wenn er nicht erscheint oder den Termin zu spät absagt. Ist der Patient in Verzug, so hat er - abstrakt formuliert – den Schaden zu ersetzen, der durch den Verzug entstanden ist. Eine Analyse der Rechtssprechung zeigt, dass das Führen einer Bestellpraxis eine wesentliche Voraussetzung für das erfolgreiche Einklagen von Ausfallhonoraren ist. Der Patient hat die Kosten einer Behandlung zu tragen, die er nicht in Anspruch genommen hat. Ersparte Aufwendungen wie Material- und Laborkosten können nicht geltend gemacht werden. Ein relativ sicherer und von den Gerichten gutgeheißener Weg ist das Ausfallhonorar auf der Basis des durchschnittlichen Kostenfaktors einer Praxis zu berechnen.

Ausfallhonorare organisatorisch verhindern

Üblicherweise ist der durchschnittliche Kostenfaktor geringer als das Honorar einer umfangreichen Behandlung, aber wesentlich einfacher zu berechnen. Darüber hinaus lehrt die Erfahrung mit Gerichtsentscheidungen zu ähnlich gelagerten Sachverhalten, dass der durchschnittliche Kostenfaktor einer Praxis nur sehr wenig Angriffsfläche für Einwände des beklagten Patienten bietet. Zudem kann dem Patienten von Anfang an vor Augen geführt werden, was auf ihn zukommt, wenn er einen Termin nicht einhält. Steht da ein bezifferter Betrag, verfehlt dies regelmäßig nicht seine Wirkung. Eines sollte bei all den juristischen und strategischen Überlegungen jedoch nie vergessen werden: Bei der Geltendmachung von Ausfallhonoraren ist in jedem Fall Fingerspitzengefühl gefragt. Dabei sollte man sich vergegenwärtigen: Wie wichtig ist der Patient aus unternehmerischer Sicht, kommt er „nur" einmal im Jahr zur Durchsicht oder wird seine gesamte Familie behandelt? Kann man es sich leisten, den Patienten zu verärgern? Ist der Säumige erst seit kurzem Patient oder ist er ein alter Bekannter, der in der Vergangenheit schon viel Honoraraufkommen brachte? Ist der Patient grundsätzlich zuverlässig oder ist er eher nachlässig? Wird die Zusammenarbeit als angenehm empfunden oder wünscht man sich eher andere Patienten? Und last but not least: Ist er Kassenpatient oder Privatpatient? Auch wenn man alle juristischen Trümpfe in der Hand hat  -  am Stammtisch ist immer der Patient das Opfer und der behandelnde Arzt der Bösewicht ... Gleichwohl zeigt die Erfahrung, dass bereits die Andeutung einer möglichen Geltendmachung von Ausfallhonoraren positive Auswirkungen auf den Praxisalltag hat.

 

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